Mehr als jemals zuvor und danach war die Geschichte des TSV Weilheim während der beiden Weltkriege und der Jahrzehnte dazwischen ein exaktes Spiegelbild der Geschichte des ganzen deutschen Volkes, der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und ihrer Wandlungen. Den im Vereinsarchiv erhalten gebliebenen schriftlichen und sonstigen Unterlagen ist eindrucksvoll zu entnehmen, wie auch innerhalb des Vereins der Bedrückung über den als ungerecht und schmachvoll empfundenen Ausgang des 1. Weltkrieges Epochen der ausgeprägten Lebensfreude, später der deutsch-nationalen Begeisterung (zu der die Turnvereine durch Leibesertüchtigung beizutragen sich verpflichtet fühlten), der Besorgnis über volkwirtschaftliche Miseren (was um die Zeit der Weltwirtschaftskrise zu einem starken Absinken der Mitgiederzahlen führte) folgten bis hin zur vereinspolitischen Gleichschaltung durch den Nationalsozialismus (wodurch zuletzt die früheren turnusmäßigen Vorstandswahlen in Wegfall kamen), zum völligen Stilstand jedes Vereinssportbetriebes gegen Ende des 2. Weltkrieges, zu der anschließenden gewaltigen Bevölkerungsumschichtung und den schwierigen Bemühungen um einen Neuanfang unter alliiertem Besatzungsrecht.
L. Weilheim, 20.Nov. Vom Turnverein wird uns geschrieben : Bedauerlich ist es, daß die Jugend in jetziger ernsten schweren Zeit so wenig Wert auf körperliche Bewegung und Ausbildung legt, sind doch die Leibesübungen besonders geeignet, Körper und Geist frisch und widerstandfähig zu erhalten. Das siegreiche deutsche Heer, unter dem sich ein hoher Prozentsatz von Turnern befindet, hätte sicher nicht die Strapazen und Entbehrungen des Feldzuges so gut überstanden wenn die Soldaten ihren Körper nicht durch Turnen und Sport gestählt hätten. Darum sollte die Jugend nicht versäumen, die gerade jetzt in den Wintermonaten wieder gebotene Gelegenheit zur Ausbildung im Turnverein dankbarst hinzunehmen. Es wäre falsch, wenn die militärpflichtige Jugend glauben wollte, in sechs bis acht Wochen Ausbildungszeit alles das sich aeignen zu können, was im Felde nötig ist : das kann nur der - wie die vielen Zuschriften dankbarer Turner von der Garnison wie vom Felde beweisen - der vorher im Turnverein sich selbst nach Kräften vorbereitet hat und somit schon die nötige Vorbereitung mitbringt. Wer das versäumt hat, der wird es bitter bereuen, wenn ihn das Los treffen sollte, noch während des Krieges Soldat zu werden zu müssen; aber auch nach dem Kriege braucht das Vaterland ein starkes gesundes Volk, um die Friedensarbeit weiter zu führen. Die hiesige Jugend und deren Eltern oder Arbeitgeber sollten sich glücklich schätzen, daß sich hier die günstige Gelegenheit bietet, die militärische Ausbildung in der Jugendwehr und die turnerische im Turnverein erhalten zu können. Die jungen Leute, welche noch hier weilen, wollen sich daher jeden Samstag abend im saale zur Post dahier einfinden, woselbst die Turnstunden abgehalten werden; die Eltern und Arbeitgeber werden ersucht, auf ihre Söhne bezw, Lehrlinge in diesem Sinne einwirken zu wollen, damit der Turnbetrieb trotz der vielen Einberufungen aufrecht erhalten werden kann zum Vorteile jeden eizelenen Mitgliedes wie im Interesse des Ansehens des Vereins. Zeitungsausschnitt des Weilheimer Tagblatts vom 21.November 1915 Im Rahmen des vorliegenden kurzen Abrisses der Vereinsgeschichte soll diese bewegte Zeit lediglich schlaglichartig anhand einiger "Kostproben" aus der Vereinschronik dokumentiert werden : 1. Als zahlreiche Turner unseres Vereins am 29.Juni 1914 erfolgreich am Bezirksturnfest in Murnau teilnahmen, erreichte sie bei der abendlichen Siegesfeier (Turnerkneipe) die Nachricht, daß am selben Tag in Sarajewo der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand einem Anschlag zum Opfer gefallen war, das Ereignis, das wenige Wochen später zum 1. Weltkrieg führte. Nach einer Mitteilung des Weilheimer Tagblatts vom 18.Dezember 1914 standen bald nach Kriegsbeginn von den 280 aktiven und passiven Mitlgiedern des Vereins 110 im heere, und diese Zal erhöhte sich bis 1918 noch deutlich. Bereits im Kriegsjahr 1915 unterblieben alle Faschingsveranstaltungen, und die Zeitung mahnte: "Es wäre sehr am Platze, wenn dafür unserer verwundeten Soldaten gedacht und in opferwilliger Weise ein teil der Gelder, die sonst Unterhaltungszwecken dienen, dem Roten Kreuz gespendet würde (siehe Zeitungsausschnitt auf Vorderseite vom 21.11.1915)." Es versteht sich von selbst, daß aufgrund der Abwesenheit der jungen Männer auch die rein sportlichen Aktivitäten weitgehend zum Erliegen kamen und es im Jahre 1917 auch kein Stiftungsfest gab. Als wichtige Ausnahme mögen an dieser Stelle die bayerischen Meisterschaften im Ringen und Stemmen am 11.August 1918 in München Erwähnung finden, an denen fünf Mitglieder unseres Vereins teilnahmen. Georg Jauß wurde bayerischer Meister im Ringen (Federgewicht), Eduard Walser, Hans und Xaver Hoffmann errangen Spitzenplätze im Ringen und Stemmen. 2. Von der männlichen Turnerschaft unseres Vereins, die nahezu vollständig eingezogen war, starben 18 im Feld. Den glücklich Heimgekehrten bereitete der Verein 1919 einen festlichen Empfang.
8. Der Turnverein, der natürlich alle Stiftungsfeste seiner Patenkinder besuchte und wegen seiner Vorreiterrolle an manchen Tagen an mehreren Orten zugleich präsent sein mußte (zum Beispiel am 17.Septempber 1922 beim 1.Stiftungsfest des Sportvereins Iffeldorf und auch beim Turnfest in Mittenwald), wurde im Sommer 1929 vom Veteranen- und Kriegerverein sowie der Gemeindeverwaltung Rottenbuch ersucht zwecks Gründung eines dortigen Turnvereins im Klosterort eine öffentliche turnerische Darbeitung zu geben, wobei frei Fahrt und Verpflegung zugesagt wurden. Unser Vereinschronist berichtet, daß sich am 15.August 1929 im Rahmen einer Turnfahrt eine stattliche Schar aus Weilheim in das herrlich gelegene Rottenbuch aufmachte mit Freunde im Herzen darüber, daß nun auch schon in kleinen Gemeinden allmählich erkannt wird, welch großer Gedanke in der Turnerei und im Sport liegt, der Gedanke, eine Lücke im deutschen Volke auszufüllen, die nach dem Kriege druch das Fehlen des Heeres enstanden ist. Die Vorführungen der Weilheimer Turner wurden begeistert aufgenommen. Ein Festgottesdienst und sogar ein Umzug hatten den Rottenbucher Turn-Werbetag eingeleitet.
9. Ab Ende der zwanziger Jahre war es auch, daß sich die wintersportlichen Aktivitäten unseres Vereins eindrucksvoll steigerten. Auf dem Gögerl wurden Preisrodeln und Preis-Skifahren abgehalten und auh eine kleine Skischanze errichtet. Auf dieser gab es allerdings, wie die Presse zum Wintersporttag des Turnvereins im Februar 1930 berichtete, wegen der nicht vorschriftsmäßigen Aufsprungbahn zahlreiche Stürze. Mit zu den besten zählten Angehörige des Weilheimer Schülerheimes. Der weiteste Sprung maß 16,5 Meter. Bereits zu dieser Zeit wurden auch Trocken-Skikurse und gemeinsame Ski-Touren in die Berge ins Sportprogramm des Vereins aufgenommen.