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150 Jahre TSV 1847 Weilheim e.V.

TSV 1847 Weilheim - 150 Jahre


TSV 1847 Weilheim

 
150-Jahr-TSV-Kranz
 
mit Beiträgen von
der Vorstandschaft und
den Abteilungsleitungen

zusammengestellt von
Klaus Glienke und Boris Forstner

Impressum :

Herausgeber :
Turn- und Sportverein 1847 Weilheim e.V.

Gesamtherstellung :
Satz-Druck-Schilder-Mohrenweiser
Holzhofring 14, 82362 Weilheim

Titelbild :
Sportanlage an der Pollingerstraße
mit Vereinsfahne von 1849,
neuer TSV-Fahne von 1988 und altem Pokal

Herausgegeben zum Jubiläumsjahr 1997

150-TSV-Geaffgeln-Verstorben

1847
Vorgeschichte und historisches Umfeld (1)


Quelle : Jubiläumsheft zum 150 jährige Jubiläum des TSV 1847 Weilheim e.V. im Jahr 1997

1. Einleitung

Ein Alter von 150 Jahren ist, auch und gerade für einen Sportverein, nichts Alltägliches. Alt sein heißt aber, eine lange und frühe Geschichte sowie die Verpflichtung zu haben, daß man sich Gedanken macht über seine Anfänge und die allgemeinen Umstände, die damals obwaltet und dazu geführt haben, daß man ins Leben eintrat.

Es ist daher zu hoffen, daß auch der vor allem an rein sportlichen und vereinsbezogenen Informationen interessierte Leser dieser Festschrift Verständnis dafür hat, daß die sich gleich an ihrem Anfang in der gebotenen Ausführlichkeit mit dem geschichtlichen, politischen und gesellschaftlichen Umfeld befaßt, in das hinein und als dessen Konsequenz unser Verein vor 150 Jahren geboren worden ist. Dies wird sein weiteres Schicksal und seine Entwicklung bis in unser Jahrhundert hinein, über die anschließend berichtet werden soll, verständlicher uns anschaulicher machen. Diesem Anliegen soll hier durch zwei wissenschaftliche Beiträge - natürlich jeweils unter engem Bezug auf Sport und Verein - Genüge getan werden.

Der Abhandlung des langjährigen verdienstvollen TSV-Chronisten, Studienprofessor i. R. Franz Riedl, über die gesamtpolitische Situation seit der französischen Revolution folgt ein Beitrag des Doktoranden der Neuen Geschichte an der Universität München, Stefan Illig, der - ein Glücksfall für unser Jubiläum - sich in seiner Dissertation z. Zt. gerade mit der speziellen Rolle der ältesten bayerischen Turnvereine befaßt, hierfür auch wichtiges Material aus dem TSV-Archiv verwenden konnte und uns einen Auszug aus seiner Doktorarbeit für die Jubiläumsfestschrift überlassen hat. Beiden Autoren sei an dieser Stelle für ihre Mitarbeit herzlich gedankt.

1847
Vorgeschichte und historisches Umfeld (2)


2. Die geschichtliche Einbindung der deutschen Turnerbewegung

Im Europa vor der Französischen Revolution herrschte die absolute Staatsform. Sie hat sich in Deutschland langsam (etwa seit dem 17.Jh.) herausgebildet und war hauptsächlich geprägt vom Kampf der Landesfürsten gegen die Landstände (Adel, Geistlichkeit, selten der Bauern).

Das wichtigste Recht der ständischen Versammlungen war die Steuerbewilligung. Die Träger der landständischen Verfassung wurden vom Absolutismus entweder mit Gewalt oder durch Korrumpierung (Bevorzugung eines Standes) entmachtet.

Im 19.Jh. wurden sie später durch die von den gewählten Volksvertretern ersetzt. Die letzte Epoche des Absolutismus umspannt die Zeit von 1750 - 1806, also bis zum Untergang des Reiches oder genauer bis zum Zeitpunkt, an dem die Einzelstaaten eine Verfassung mit konstitutionell beschränkter Regierungsweise erhielten. Diese Epoche hatte kein Gefühl für ein allgemeines Staatsbürgertum. Das 18. Jh. kümmerte sich nicht um die von Rousseau und anderen Naturrechtlehrern in die Welt geworfene Ideen eines vorstaatlichen Rechts (von der Gleichheit der Menschen).

Zum Siege verhalf ihnen erst das 19. Jh., nachdem die Verfassungen des des nordamerikanischen Staates mit den Menschenrechten Ernst gemacht hatten und die Französische Revolution über Europa hinweggegangen war. Imanuel Kants Beantwortung der Frage "Was ist Aufklärung?" (1784) lautet etwa so: Aufklärung ist der Ausgang der Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht im Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung des Mutes liegt. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Zur Verhinderung von Mißbräuchen forderte Montesquieu die Teilung der Gewalt. Dem Monarchen komme nur die Exukutive zu, der Volksvertretung die gesetzgebende Gewalt, unabhängigen Richtern die richterliche Gewalt. Der Staat dürfe niemals die den Menschen angeborenen Naturrechte (Menschenrechte) entziehen. Die Aufklärer waren von einem unvorstellbaren Fortschrittsglauben beseelt. Trotz schärfster Kritik der Aufklärer unterließen in Frankreich die Nachfolger Ludwigs XIV. unaufschiebbare Reformen. Friedrich II. führte in Preußen den aufgeklärten Absolutismus ein. Der Adel blieb zwar privilegiert, hatte aber an der Verwaltung mitzuwirken. Friedrichs Gegenspielerin Maria Theresia lehnte die Aufklärung ab, regierte aber als mütterliche Herrscherin nach dem Grundsatz "Alles für das Volk". Im Gegensatz zu Friedrich II. sorgte sie auch für die untersten Schichten (Volksschulzwang).

Die in Nordamerika 1776 verkündete Unabhängigkeitserklärung sah den Menschen als ein mit unveräußerlichen Menschenrechten geborenes Wesen und erhob die Sicherung dieser Rechte zum Staatszweck.
1789 wurde in Frankreich die seit dem Frühmittelalter bestehende Gesellschaftsordnung (mit der Sonderstellung für Adel und Kirche) niedergerissen. Die Verfassung von 1791 schuf die neue Staatsform der konstitutionellen Monarchie. Ludwig XVI. versagte aber auch als konstitutioneller Herrscher. Das Wirken Napoleons und sein Ende sind bekannt. Die Franzosen und die Welt verdanken ihm bedeutsame Rechtsformen (Code Civil), welche die Rechtsnormen in Übereinstimmung mit dem durch die bürgerliche Revolution herbeigeführten gesellschaftlichen Veränderungen brachten und in ihren Grundzügen heute noch gelten.

Napoleons Schwierigkeiten wuchsen, als sich 1808 Spanien erhob und Rußland die Besetzung Finnlands und der Donaufürstentümer als Preis für die Kontinentalsperre gegen England erzwang. Als der russische Zar die Kontinentalsperre lockerte, zog Napoleon gegen ihn zu Felde. 1812 verschob der Untergang der "Großen Armee" die Machtverhältnisse entgültig. Die Halsstarrigkeit Napoleons, auch nach der Niederlage keine Handbreit Boden preiszugeben, trieb Österreich an die Seite Rußlands und Preußens. So brachte die Völkerschlacht von Leipzig (1813) die Befreiung Europas, Waterloo (1815) bestätigte sie.

Nun kam das Zeitalter der Restauration und der freiheitlichen Gegenbewegungen (1815 - 1848). Ziel des Wiener Kongresses (1814/15 - Metternich) war eine Wiederherstellung (Restauration) der Verhältnisse vor der Revolution. Auf dem Festland wurde ein Gleichgewicht der Mächte zwischen Rußland, Österreich Preußen und Frankreich hergestellt. Deutschland wurde nun sehr locker zu einem "Deutschen Bund" (1815 - 1866) zusammengeschlossen. Die Ideen der Freiheit fanden kaum Berücksichtigung; das im "Deutschen Bund" vorgesehene Zugeständnis einer Verfassung wurde nur in Klein- und Mittelstaten verwirklicht.

Vom Idealismus über die Klassik zur Romantik nahm die Bedeutung der Gefühle gegenüber dem Verstand zu. Der klassische Mensch wollte sein Gefühl der Idee der Harmonie unterordnen, der romantische erhob es zur Richtschnur. In der Politik wurde dadurch die nationale und konservative Einstellung gestärkt. Der Klassizismus erhob aus der Vergangenheit Antike und Renaissance, die Romantik die Gotik zu baulichen Vorbildern. Das Biedermeier wandelte die Ideen für das Leben des "kleinen Mannes" ab, dadurch wurden sie im Volk verbreitet. Liberale und nationale Bewegungen erschüttern das System der Restauration. Wilhelm von Humboldt meint in seiner Schrift "Über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates" (1792), daß "jedes Bemühen des Staates verwerflich sei, sich in die Privatangelegenheiten der Bürger überall da einzumischen, wo dieselben nicht unmittelbaren Bezug auf die Kränkung der Rechte des einen oder anderen haben".

Vorläufig aber verbanden sich Liberalismus und Nationalismus im Kampf gegen die Restauration. Das Ziel war der freiheitliche Nationalstaat. Das Biedermeier entsprach mit seiner Vorliebe für das Kleine den politischen Vorstellungen der meisten Menschen. Man wollte seine Ruhe haben nach Jahrzehnten blutiger Kämpfe. Aus der "großen Politik" hielt man sich heraus. Trotz der liberalen Bewegung im gebildeten Bürgertum wurde der "Untertan" dem Staat gegenüber so gleichgültig wie zur Zeit des Absolutismus. Schon vor den Befreiungskriegen hatte Friedrich Ludwig Jahn (1778 - 1852), der "Turnvater", eine Schar von Anhängern um sich gesammelt, um zur inneren Erneuerung beizutragen.
Man trieb nicht nur Sport (1.Turnplatz 1811 auf der Berliner Hasenheide), sondern verfolgte auch politische Ziele. So gab es bei den Turnern keine Standesunterschiede, alle sagten "Du" zueinander. Die Ideen der Turnerschaft waren stark von der Romantik geprägt. Nationalismus bedeutete ihnen Anknüpfung an den Geist des Mittelalters. Daher kleideten sich viele Turner "altdeutsch", Jahn lehnte alles Französische ab. Nach theol. und philol. Studium war er zuerst Hauslehrer, 1806 im Kriegsdienst, dann Wanderredner, 1810 - 1813 Lehrer in Berlin. Großen Anteil hatte Jahn 1813 an der Bildung des Lützow'schen Freikorps, der sog. ""Schwarzen Schar", in Schlesien. Nach dem Krieg widmete er sich der weiteren Ausbildung der Turnkunst. 1816 erschien das grundlegende Buch "Die deutsche Turnkunst". Der Reaktion war sein durch den übertriebenen "Teutonismus" mehr lächerliches als gefährliches Treiben verdächtig. Nach der Ermordung Kotzebues durch den Turner Sand (1819) wurde auch Jahn verhaftet und erst nach sechsjähriger Untersuchungshaft freigesprochen. Im Franfurter Parlament 1848 konnte sein verschrobener Patriotismus nicht wirksam werden. Die deutsche Turnerschaft ehrte ihn durch die Jahresstiftung (1863 in Leipzig gegründet, Pensionskasse für Turnlehrer und deren Hinterbliebenen) und ein gewaltiges Denkmal aus Felsblöcken in der Hasenheide (1872). Von seinen patriotischen und sprachgeschichtlichen Schriften sind zu nennen: "Bereicherung des hochdeutschen Sprachschtzes" (1806), "Runenblätter" (1814), "Werke zum deutschen Volkstum" (1833). Autobiographisch sind die "Denknisse eines Deutschen" (1835). Ein Vorgänger Jahns sei noch erwähnt : Johann Christoph Friedrich Guts Muths (1759 - 1839), "Vater der deutschen Gymnastik", geb. in Quedlinburg (dort ein Denkmal), gest. zu Ibenhain bei Schnepfenthal (Thüringen). In Schnepfenthal führte er die Gymnastik nach seinem eigenen System ein. Sein Werk "Gymnastik für die Jugend" wurde die erste Grundlage für leibliche Erziehung, auch im Ausland. Guts Muths schrieb ferner: "Lehrbuch der Schwimmkunst", "Spielalmanach", "Thurnbuch", "Katechismus der Turnkunst" u.a.m.

Zurück zur Politik: Gefährlicher als die Turner erschienen den Behörden die nationalen und liberalen Bestrebungen der Studenten. Viele hatten an den Befreiungskriegen teilgenommen und waren von der Restauration enttäuscht. An den Universitäten schlossen sich manche nicht mehr wie bisher landsmannschaftlich gegliederten Korps an, sondern gründeten Verbindungen, die Studenten aus allen Einzelstaaten umfaßten. Die Verbindungen einigten sich zur "Allgemeinen Deutschen Burschenschaft" (Bursche gleichbedeutend mit Student, 1815 in Jena gegründet). Als Farben wählten sie Burschenschaftler schwarz-rot-gold. Sie forderten die politische Einheit Deutschlands, Abschaffung der Privilegien, Meinungsfreiheit und Gesetzgebung durch die Volksvertretung.
1817 feierten Studenten auf der Wartburg den Jahrestag der Reformation (1517) und der Völkerschlacht von Leipzig (1813). Nach Abschluß der Feier verbrannten Teilnehmer "undeutsche Schriften", Theaterstücke, den Code Civil Napoleons und die Bundesakte zum Deutschen Bund. An den Universitäten entwickelten sich radikale Gruppen. Auch eine "Geschichte des deutschen Volkes" des Erfolgsdramatikers und russischen Staatsrates August von Kotzebue waren unter den geächteten Texten des Wartburgfestes. Diesen erdolchte der Theologiestudent, Turner und Burschenschaftler Karl Sand im März 1819. Jetzt reagierte Metternich. In den "Karlsbader Beschlüssen" (1819) schlug die Reaktion zurück. Turnerschaft und Burschenschaften wurden verboten. Als "Demagoge" wurde jeder gemaßregelt, der liberale und nationale Ansichten äußerte. Turnvater Jahn wurde nach seinem Freispruch im Prozeß unter Polizeiaufsicht gestellt. Dieses Unterdrückungssystem bewirkte jenen biedermeierlichen Rückzug des Menschen in Haus, Garten und Privatgesellschaft, welcher die 1830-iger und 40-iger Jahre prägte.
In Frankreich waren 1814 die Bourbonen zurückgekehrt. 70.000 "Anhänger der Revolution" oder "Bonapartisten" wurden verhaftet. Ludwig XVIII. verhinderte das Schlimmste und gab Frankreich eine Verfassung. Sein Bruder Karl X. (1824 - 1830) überspannte den Bogen der Restauration durch Verfassungsänderungen, Abänderung des Wahlgesetzes und Aufhebung der Pressefreiheit. All das endete nach Straßenkämpfen mit der Flucht Karls X. nach England, aber es kam nicht zur Ausrufung der Revolution. Das Großbürgertum errichtete das Bürgerkönigtum und erhob Louis Philippe von Orleans zum "König der Franzosen".
Die Auswirkungen der französischen Julirevolution von 1830 erschütterten ganz Europa. Frankreich führte (wie schon England seit Beginn des 18.Jhs.) die parlamentarische Monarchie ein. "Parlamentarische Monarchie" bedeutet, daß das Parlament nicht nur die Gesetzgebung in Händen hat, sondern auch entscheidend auf die Bildung und den Bestand von Regierungen Einfluß nimmt, während für die Konstitutionelle Monarchie Bestellung und Abberufung der Regierung noch Recht der Herrscher war.

In Deutschland löste die Julirevolution Aufläufe aus, die in einigen Mittelstaaten zum Erlaß von Verfassungen führten. Schriftsteller, die als Journalisten auch in die Tagespolitik eingriffen, wurden eifrig gelesen. Man faßt sie unter dem Namen "Junges Deutschland" zusammen. "Die Revolution selbst tritt in die Literatur ein", sagt Heinrich Heine auf einer großen Versammlung in der bayerischen Pfalz, dem Hambacher Fest (1832). Die Menschenmassen jubelten nicht nur den schwarz-rot-goldenen Fahnen zu, sondern auch den polnischen und französischen. Auf dem Hambacher Fest rief ein Redner aus: "Es lebe das freie, das einige Deutschland. Hoch leben die Polen, der Deutschen Verbündete! Hoch leben die Franken, der Deutschen Brüder, die unsere Nationalität und Selbstständigkeit achten! Hoch lebe das Volk, das seine Ketten bricht und mit uns den Bund der Freiheit schwört! Vaterland - Volkshoheit - Völkerbund hoch!"

Bald aber unterdrückten reaktionäre Regierungen wieder die freiheitliche und die nationale Bewegung. Sie förderten aber, um das Volk in Ruhe zu halten, durch Beitritt zum Zollverein die wirtschaftliche Einheit Deutschlands, der aber keinesfalls die politische Einheit folgen sollte.

Die Revolution des Jahres 1848
Soziale Spannungen führten in Frankreich zur Februarrevolution von 1848. Das Bürgertum unterdrückte sozialistische Betrebungen der Arbeiter und wählte Luois Napoleon zum Präsidenten.
Die Revolution griff auf Deutschland, Italien und Ungarn über. Hier standen liberale und nationale Probleme im Mittelpunkt. In Deutschland schrieb ein revolutionäres Vorparlament allgemeine Wahlen aus, die damals daraus hervorgegangene Nationalversammlung tagte in der Frankfurter Paulskirche (18.mai 1848). Die Abgeordneten gehörten vor allem dem Bildungsbürgertum an. Die Nationalversammlung schuf aus eigener Machtvollkommenheit (Volkssouveränität) eine Verfassung, deren wichtigster Teil die Grundrechte waren.

Im Reichsgesetzblatt vom 28.12.1848 wurde das Gesetz betreffend die Grundrechte des Deutschen Volkes verkündet. Hier ein wichtiger Auszug:

1. Grundrechte des deutschen Volkes
Dem deutschen Volke sollen die nachstehenden Grundrechte gewährleistet sein. Sie sollen den Verfassungen der deutschen Einzelstaaten zur Norm dienen, und keine Verfassung oder Gesetzgebung eines deutschen Einzelstaates soll dieselben je aufheben oder beschränken können.

Aus der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28.März 1849: Abschnitt VI:
Die Grundrechte des Deutschen Volkes. §161: Die Deutschen habe das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, einer besonderen Erlaubnis bedarf es nicht.
§162: Die Deutschen haben da Recht, Vereine zu bilden. Dieses Recht soll durch keine vorbeugende Maßnahme beschränkt werden.

Die Revolution scheiterte, weil das Bürgertum keine einschneidenden Veränderungen wollte und die Regierungen ihre Macht schnell wieder herstellen konnten. Das Volk glaubte nun nicht mehr an einen sieg seiner Idee von Freiheit und Einheit und überließ die Politik den Regierungen, die nüchtern Realpolitik betrieben.

Die stärkste Auswirkung hatte die Revolution in Bayern. König Maximilian II. (1848 - 1864) regierte liberal. Es wurde nicht nur die Gerichtshoheit der Grundherren abgeschafft, sondern auch die Grundherrschaft überhaupt. Jeder Bauer war nun frei. Der bayerische Landtag wurde zu einer volksvertretung, denn das Volk wählte seine Abgeordneten mach Parteien und nicht mehr wie früher nach Ständen. Durch die gewährte Gesetzesinitiative konnten die Abgeordneten selbst Gesetzesanträge einbringen. Königliche Verfügungen wurden erst rechtsgültig, wenn sie der (vom König berufene) Minister gegenzeichnete, so daß klare Ministerverantwortlichkeit bestand.

Zusammengstellt von Studiendirektor i.R. Franz Riedl, Weilheim im August 1996
Quelle :
Jubiläumsheft zum 150 jährige Jubiläum des TSV 1847 Weilheim e.V. im Jahr 1997

1847
Vorgeschichte und historisches Umfeld (3)


3. Zur politischen Rolle der bayerischen Turnvereine im 19.Jahrhundert

Am Beginn des Turnens und der Turnbewegung in Deutschland steht der ehemalige Hilfslehrer Friedrich Ludwig Jahn (1778 - 1852), der vor und während der sog. Befreiungskriege (1813/14) auf der bekannten Berliner Hasenheide vor allem Schüler und Studenten zu körperlichen Übungen anleitete. Dazu gründete er nicht nur in Berlin eine 'Turngesellschaft', sondern initiierte auch in etwa 150 Orten im damaligen Deutschen Bund Turnvereine vornehmlich im Norden Deutschlands. Im ländlich geprägten Bayern gab es damals noch keine vereinsmäßig organisierten Turner.

Jahn verfolgte mit dem Turnen weitgehende Tendenzen: Neben seinen pädagogisch-sportlichen Zielen wollte der 'Turnvater' die zahlreichen Jugendlichen vormilitärisch für einen Krieg rüsten (für den Befreiungskampf gegen Napoleon, der ja Preußen besetzt hielt) und im nationaldeutschen Sinne prägen. Mit dem Sieg über Napoleon durch die vereinigten europäischen Kräfte stießen seine Absichten aber bei den alten Mächten, den Fürsten des inzwischen geschlossenen . lockeren - Deutschen Bundes, auf immer stärkere Skepsis, zumal sich auch einzelne Turnvereine durch offensichtliche liberale Forderungen (z.B. nach Grundrechten und politischer Teilhabe) hervortaten. So erließ Preußen im Zuge der allgemeinen Restauration ab 1819/20 eine 'Turnsperre', d.h. ein Verbot aller Turnvereine, das bis zu Beginn der 1840er Jahre seine Gültigkeit behalten sollte. Bayern bildete insofern eine Ausnahme unter den deutschen Staaten, als hier in München 1828 unter Ludwig I. der Jahn-Schüler Hans Ferdinand Maßmann eine 'königliche öffentliche Turnanstalt' aufbaute, die sich allerdings auf das praktische Turnen in Zusammenarbeit mit den Schulen beschränkte.

Die Turnbewegung erlebte in den 1840er Jahren ihre zweite Entwicklungsphase, in der auch in Bayern erste Turnvereine entstanden, so im rheinbayerischen Speyer, in Nürnberg (jeweils 1846) und ein Jahr später in Augsburg und Weilheim. Mit dem Ausbruch der Revolution im März 1848 gründeten sich im Zuge der allgemeinen Vereins- und Parteibewegung weitere Turnvereine mit dem Schwerpunkt in den sog. neubayerischen Gebieten, also der Rheinpfalz, Franken und Schwaben.

Häufig forderten die Turner die Bewaffnung ihrer Riegen, um damit den Gemeinden in den unruhigen Revolutionsmonaten bei der Aufrechterhaltung der örtlichen 'Ruhe und Ordnung' zu helfen, aber auch, um in manchen Fällen revolutionäre Volksheere zu bilden. Besonders in der bayerischen Pfalz sollten Turner in der Reichsverfassungskampagne (Mai/Juni 1849) zusammen mit anderen demokratischen Gruppierungen für die revolutionären Errungenschaften mit Waffengewalt gegen die regulären monarchischen Truppen kämpfen; in Franken und im Allgäu kam nur das rechtzeitig gerufene bayerische Militär Aufstandsversuchen der vereinigten Turn-, Arbeiter- und Demokratenvereine zuvor.

Ebenfalls scheiterten in den Jahren 1848/49 die Versuche, einen deutschen Turnverband zu begründen, da man uneinig war, ob sich die Turnvereine nur auf die körperliche Ertüchtigung konzentrieren oder auch politische Forderungen vertreten sollten. Die in einem fränkischen Turnerbund vereinigten Turnvereine Nordbayerns tendierten dabei häufig wie die pfälzischen zur politischen Variante, während die bis 1849 einzigen oberbayerischen Vereine in München und Weilheim das politische Treiben mißtrauisch beäugten, da sie darin "nur zu deutlich das Gepräge eines politischen communistischen uns socialistischen Strebens" sahen - so ein Brief der Weilheimer Turner an die Freunde in München 1849.

Da nicht überall in Bayern ein so starkes Traditionsbewußtsein Forderungen nach Reform der Monarchie verhinderte, ging die bayerische Regierung nach Revolutionsende entschlossen gegen die liberale und nationale Bewegung zu Werke. Für die Turnvereine wurde dabei das 'Gesetz vom 26.Feb 1850, die Versammlungen und Vereine betreffend' entscheidend, da es das Recht auf Vereinsbildung strikt einschränkte. Besonders solchen, die sich mit "öffentlichen Angelegenheiten" beschäftigten - und das konnte sehr vieles bedeuten - drohte bei Verstößen die sofortige Auflösung.
Und so geschah es auch: Nach einer Phase der Beobachtung wurden aufgrund des Vereinsgesetzes die Turnvereine zu den politischen Vereinen gerechnet und vielfach im Sommer 1850 aufgelöst. Man verdächtigte sie der demokratischen Betrebungen und der geheimen Verbindung, was für die pfälzischen und teilweise fränkischen Vereine ja in der Revolution zum Teil seine Berechtigung gehabt hatte. Doch auch die nicht politisch aktiven Vereine in München und Weilheim mußten ihren Betrieb schließen. Endgültig verfügte der bayerische Innenminister Graf Reigersberg am 25.November 1853 ein Verbot der verbliebenen Turnvereine in Bayern; nur der Turnverein Augsburg konnte aufgrund der Protektion des Bürgermeisters und der schwäbischen Kreisregierung weiterexistieren.

Die Wende vom reaktionären System zu einer liberaleren 'Neuen Ära' trat in Bayern wie im gesamten Deutschen Bund um das Jahr 1859 ein. Nach einem Wahlerfolg der Liberalen bei den Landtagswahlen Ende 1858 wollte der bayerische König Max II. endlich "Frieden haben mit seinem Volk". Zugleich hatte der Krieg Österreichs gegen Italien, das bei seiner nationalen Einigung von Frankreich gestützt worden war, zu einem Aufwallen der nationalen Gefühle in ganz Deutschland geführt. Nachdem die bayerische Regierung das Vereinsrecht liberaler handhabte, lebten neben den Vereinen der Schützen und Sänger auch die der Turner wieder auf. Seit 1859 wuchs ihre Zahl in Bayern sprunghaft von sieben auf 194 im Jahre 1863 an. Schwerpunkte bildeten dabei wieder die neubayerischen Gebiete, doch auch in Oberbayern kam es zu einer größeren Zahl von Gründungen, bei denen wie in Weilheim seit 1862 oft dieselben Männer wie 1848/49 an der Spitze standen. Bereits 1861 schlossen die meisten bayerischen Turnvereine einen "Bayerischen Turnerbund".

Aufgrund der Erfahrung der Verbotszeit und der weiter wachsamen Kontrolle der bayerischen Behörden verzichtete man nun auf liberale oder demokratische Forderungen. Doch bekannten sich die Turner weiterhin zu ihrem Wunschziel eines einigen Deutschlands, da ihnen dies nicht als 'Politik' galt. Vor allem die großen nationalen Turnfeste in Coburg (1860), Berlin (1861) und Leipzig (1863) ließen mit national-deutschen Bekenntnissen in Liedern und Festreden aufhorchen. Anders als 1848/49 waren die deutschen Einzelstaaten nun bereit, die nationalen Aufrufe zu tolerieren, vorausgesetzt sie hielten sich in gewissen Grenzen. Auch die bayerischen Turnfeste in München (1862), Bayreuth (1863), und Augsburg (1865) atmeten den nationalen Geist, wie der folgende Ausschnitt aus einer Rede des Landtagsabgeordneten der Fortschrittspartei Dr.Völk beim bayerischen Turnfest 1865 bezeugt: "Erwarten wir nicht vielmehr eine Aufrichtung in unserem Gemüth, eine Stärkung unserer patriotischen Gedanken, eine Kräftigung in der Gemeinsamkeit? und sind wir nicht deßwegen mit zusammengekommen, um uns aufzurichten in dieser gemeinsamen Liebe zum großen, zum herrlichen Vaterlande? (...) Nur allein, verehrte Freunde, wenn wir es durch Mühe und Anstrengungen dahin gebracht haben werden, geachtet unter den Nationen zu stehen, nur dann allein wird der Einzelne groß und geachtet stehen, und trage Jeder, sey er jung oder alt, die Kräfte seines Geistes und Körpers dazu bei; ..." (Bundesblätter 1865 /Nr.8/9, S.63) In dieser Festrede wird das Doppelgesicht des Nationalismus im 19.Jahrhundert deutlich: Oft untrennbar verbunden mit der an sich liberalen Forderung nach einem deutschen Nationalstaat war die Hoffnung auf ein machtvolles, ein starkes Deutschland, das etwas in Europa gelten sollte. Diese Außenorientierung des Nationalismus sollte sich nach der Reichsgründung noch weiter verstärken.

Zunächst machte sich aber Ende der 1860er Jahre ein allgemeines Abflauen der Euphorie und des Mitgliederwachstums der Turnvereine bemerkbar, da in den sog. Einigungskriegen deutlich wurde, daß die Entscheidung über eine nationale Einigung in den Händen der deutschen Regierungen und nicht in denen der nationalen Bewegung lag. Immerhin wurde aber in dieser Krisenzeit der nationale Verband, die "Deutsche Turnerschaft" (1868) gegründet, der auch der Weilheimer Turnverein angehörte. Sicherlich darf man in diesen Jahren nicht die politische Seite der Turnvereine einseitig überbetonen, da vieles bei ihnen vage und unverbindlich blieb. Wichtiger für die Mitglieder war vielleicht die gesellige Funktion der Vereine, schließlich verbrachte man meist zwei- bis dreimal in der Woche den Feierabend zusammen auf dem Turnplatz und diskutierte anschließend in der Stammwirtschaft lautstark örtliche Probleme. Da die frühen Parteien noch keine lokalen Organisationen aufgebaut hatten, trugen in Kleinstädten wie Weilheim die Turnvereine auch so zu einer Politisierung der Bevölkerung bei.

Wer turnte aber damals überhaupt? Bei den aktiven Mitgliedern stellten meist junge Handwerker, Handlungsgehilfen und ältere Schüler die Mehrheit der Vereinsmitglieder. Als passive 'Turnfreunde' beteiligten sich an den Turnvereinen neben Handwerkern auch Lehrer, Gastwirte und kleinere Beamten. Frauen hatten damals nichts in den Turnvereinen zu suchen, da diese sich als "Männerbünde" verstanden und einer vormilitärischen Köperertüchtigung dienen sollte. Erst um 1900 wurden häufiger Frauenturnabteilungen eröffnet oder Damenturnvereine begründet.

Mit dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870/71 zeichnete sich wieder ein neuer Aufschwung in der Turnbewegung ab. Begeistert zogen auch die bayerischen Turner gegen den Feind ins Feld, organisierten die daheimgebliebenen Mitglieder Sanitätskolonnen, feierte man 1871 gemeinsam den Sieg der deutschen Truppen: "Was die Turner erstrebten in jugendlicher Begeisterung in jenen Jahren, in denen Turnvereine als staatsgefährlich betrachtet wurden, das ist durch die Macht der Ereignisse, durch blutigen, aber gemeinsamen Kampf aller deutschen Stämme errungen worden: Deutschland ist kein geographischer Begriff mehr, das deutsche Volk ist eine Nation geworden!" (Bundesblätter 1871/ Nr.1, S.1) Mit diesen Worten begrüßte der Vorsitzende des "Bayerischen Turnerbundes", der Hofer Buchhändler Rudolf Lion (1834-1893) die Gründung des deutschen Reiches 1871, obwohl der Staat nicht durch das Volk begründet worden war, sondern druch die Staats- und Kriegskunst von Bismarck und Moltke. Immerhin hatte man in den Armeen mitgekämpft und so seinen Beitrag geleistet. Außerdem erkannte nun die Regierung in Bayern endgültig die Vorzüge des Turnen für die Wehrertüchtigung und sorgte in der Zukunft verstärkt für die Einrichtung des Schulturnunterrichts.

Die Turner schlossen nach 1871 ihren Frieden mit dem Staat, Forderungen nach liberalen oder demokratischen Reformen waren völlig in Vergessenheit geraten. Sie galten nun als unvereinbar mit dem Turnen, da man ja nicht 'politisch' sein wollte. Doch hinderte dies die bayerischen und deutschen Turnvereine nicht daran, bei ihren verschiedenen Turnfesten das neue deutsche Reich. den Kaiser und die Regierung als nationale Errungenschaften zu verherrlichen und 'Reichsfeinde' wie die Sozialdemokratie zu verdammen. In Altbayern stand die Begeisterung für das deutsche Reich allerdings in einem etwas zwiespältigen Verhältnis zur bayerischen Tradition: Die Anhänglichkeit gerade des Oberlandes an das bayerische Königshaus blieb offensichtlich so, wenn man stets als erstes auf den bayerischen König bzw. ab 1886 auf den Prinzregenten toastete. Landespatriotismus und Reichsnationalismus standen zeitweise in einem Konkurrenzverhältnis zueinander, ließen sich aber auch wieder gut verbinden, indem man einfach auf beide Monarchen prostete.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges sollten sich in der bayerischen Turnbewegung die nationalistischen Tendenzen wieter radikalisieren, die sich zunehmend gegen alle 'Feinde' Deutschlands wie die slawischen Völker oder Frankreich richteten. Die Verschiebung des nationalen Gedankengutes der Turner seit der 48er Revolution wurde endgültig offensichtlich. Und in dieser Hinsicht bildeten die bayerischen Turnvereine insgesamt ein Spiegelbild der Entwicklungen in der deutschen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts.

Stefan Illig, September 1996
Quelle :
Jubiläumsheft zum 150 jährige Jubiläum des TSV 1847 Weilheim e.V. im Jahr 1997

1847
Von der Gründung bis ins 20. Jahrhundert (1)


tsv150J-s026a
1.
Die Chronik eines Vereins wie die des Weilheimer Turnvereins beruht auf mannigfachen historischen Quellen und Belegen. Außer dem Archiv des Vereins, überwiegend seinen seit 1876 vorhandenen Protokollen, dienten uns verschiedene andere Chroniken, so z.B. die der Stadt Weilheim von Carl August Böhaimb, die Gründungsniederschrift der Freiwilligen Feuerwehr, verschiedene Jubiläumsfestschriften und - vor allem für die Gründerzeit - die Unterlagen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München als Grundlage. Als besonders fündig erwies sich das vorbildlich geführte Stadtarchiv im Weilheimer Rathaus mit den zahlreichen Folianten gebundener Zeitungen und den wichtigsten Magistratsakten aus den Jahren 1848 - 1934, insbesondere das "Wochenblatt des Königlich Bayerischen Bezirksamtes Weilheim" (gegründet etwa 1831/32), in den späteren 60er Jahren zum "Weilheimer-Werdenfelser Wochenblatt" erweitert. Ab 1872 erschien dann das Weilheimer Tagblatt.
Nach all diesen Unterlagen sowie aufgrund langer Überlieferung beginnt die Geschichte des Turnvereins Weilheim im Jahre 1847. Natürlich gibt es, unbürokratisch wie die Gründer waren, von diesem Anlaß keine Gründungsurkunde. Es taten sich einige junge Männer zusammen, die nach der Befreiung Europas von Napoleon die Zeit der Restauration und der freiheitlichen Gegenbewegungen mit ihrem liberalen und nationalen Strömungen (Wartburgfest 1817 und Hambacher Fest 1832) miterlebt hatten. Der "Turnvater" Jahn und seine Schar pflegten nicht nur ihre turnerischen Übungen, sondern verfolgten auch politische Ziele. Sie wollten zur inneren Erneuerung Deutschlands beitragen.
In diesem Sinne sammelte der Weilheimer Goldschmied Jakob Steigenberger seine Anhänger und gründete den "Turn-Verein Weilheim".
Es war, wie durch Festreden u. a. bereits seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dokumentiert und überliefert ist, an einem schwülen Sommerabend des Jahres 1847 in einem Nebenraum des damaligen Gasthofes "Blaue Traube" am Hauptplatz (heutiges Cafe Krönner), "als unter Vorsitz von Meister Steigenberger der Junge zur Welt kam und lebenskräftig und lebensbejahend in die Reihe der Weilheimer Vereine eingetreten ist. Schon zwei Jahre nach der Gründung konnte der Verein eine schlichte Fahne beschaffen, deren kirchliche Weihe unter großer Teilnahme der gesamten hiesigen Bevölkerung 1849 stattfand" (siehe auch Titelseite).

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Jakob Steigenberger, der Vereinsgründer von 1847

Bald nach der Gründung beschaffte Jakob Steigenberger auf eigene Kosten einen Barren und andere turnerische Gerätschaften und konnte zu seiner Freude feststellen, daß sich eine große Anzahl von Knaben und jungen Männern für seine turnerische Übungen interessierten. Dies teilte er in seinem Schreiben vom 4.August 1848 dem verehrlichen Magistrat der Stadt Weilheim mit, wobei er um die Zuweisung des städtischen Exerzierplatzes als Übungsplatz für die Turner bat.

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Im Antwortschreiben vom 25.August 1848, unterzeichnet von Bürgermeister Boxberger, zeigte sich der Weilheimer Magistrat zwar von der Turnerei in Weilheim angetan, zumal ein Gutachten des Arztes Dr.Schmidt vom 4.August 1848 die gesundheitlichen Vorzüge des Turnens bestätigte. Dessen Gtuachten lautet auszugsweise: " Das Turnen trägt in hohem Maße zur Entfaltung der körperlichen Kräfte, zur Ertragsfähigkeit von Strapazen bei, dient zugleich zur Erlernung eines zweckmäßigen Gebrauchs der vorhandenen Kräfte und befördert so Muth, Selbstvertrauen und Besonnenheit in Gefahren. So dürfte ein derartiges Unternehmen namentlich in unseren Tagen Beachtung verdienen, in welchen auf möglichst vollständige Wehrbarmachung der gesamten männlichen Bevölkerung gedrungen wird, und das Turnen eine sehr gute Vorschule für den richtigen und erfolgreichen Gebrauch der Waffen bildet."
Allerdings verlangte die Stadt Weilheim vom Turnverein, daß dessen im Entwurf übergebene Satzung "genau beachtet und keine Veranlassung zu polizeilicher Einschreitung gegeben werde." Darüberhinaus sagte der Magistrat dem Verein Bereitstellung von Holz aus Communalwaldung zur Anfertigung der benötigten Turngeräte zu. Um sich diese Unterstützung der Stadt zu sichern, mußte der Verein, der bereits seit zwei Jahren turnerisch tätig war, in der Öffentlichkeit warb, Pressebekanntmachungen herausgab und Turngeräte angeschafft hatte, allerdings gewissen Formalitäten erfüllen. Diesbezüglich schrieb am 25.April 1849 der gehorsamste Ausschuß des Turnvereins an den Hochlöblichen Magistrat der Stadt Weilheim folgendes: "Nachdem ein Hochlöblicher Magistrat auf die Vorstellung des Jakob Steigenberger sich dahin ausgesprochen hat, daß im Allgemeinen dem Entstehen und Errichtung einer Turnanstalt dahier, vorbehaltlich nach Umständen weiterer Verfügung nichts im Wege stehe, so beehren sich die gehorsamst Unterzeichneten denselben hiermit in Kenntnis zu setzen, daß bei der am 22.d.Mts. (April) stattgefundenen Versammlung sich die Turngesellschaft definitiv constituiert, die bereits vorgelegten Statuten angenommen und zur Aufsicht und Leitung des Ganzen einen Ausschuß resp. Vorstand in den Personen der gehorsamst Unterzeichnerten gewählt habe...". Mit aller Hochachtung zeichnet dem Wohllöblichen Stadt-Magistrat gehorsamster Ausschuß des Turnvereins:
August Huber, Sprecher
F. Wermuth, Schriftwart
Josef Kölbl, Cassier
Jakob Steigenberger, Verwalter
Diese behördlich veranlaßte "Definition" des Turnvereins führte zwar dazu, daß der Weilheimer Chronist Carl Böhaimb den 22.April 1849 als Gründungsjahr des Turnvereins angab; gleichwohl bestand damals wie in allen folgenden Generationen keinerlei Zweifel daran, daß die Weilheimer Turner ihren organisierten Sportbetrieb bereits zwei Jahren vorher aufgenommen und sich dabei auch als Verein bezeichnet hatten. Dem "Chef" und Oberturnwart Jakob Steigenberger, der in späteren Jahren (1862-1868) selbst einmal den Vorsitz des Vereins übernahm standen in den Anfangsjahren der Rechtspraktikant August Huber (bis 1850) und der Postexpiditor Friedrich Kümmerle (ab 1850) als Vereinsvorsitzende zur Seite.

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Die erste Fahne des TSV 1847 Weilheim von 1849

Quelle : Jubiläumsheft zum 150 jährige Jubiläum des TSV 1847 Weilheim e.V. im Jahr 1997

1847
Von der Gründung bis ins 20. Jahrhundert (2)


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2.
Trotz des verfassungsrechtlich garantierten Versammlungs- und Vereinigungsrechtes (Art. 1 und Art 11 des Bayerischen Gesetzes vom 26.Februar 1850, die Versammlungen und Vereine betreffend, entsprachen wortwörtlich den bereits zitierten §§161 und 162 der Verfassung des Deutschen Reiches) gerieten bald nach der Gründung des Turnvereins Weilheim in Deutschland und Bayern Turn- und andere Vereine als angeblich vaterländisch und nationalistisch immer mehr in den Mißkredit der Obrigkeit. Dieser Verfolgung fiel auch unser Verein bald zum Opfer.
Das Wochenblatt des Königlich Bayerischen Landgerichts Weilheim (Sechzehnter Jahrgang vom 20.Juli 1850) teilte mit, daß der Weilheimer Turnverein aufgrund des Art.19 Abs.4 des Gesetzes vom 26.Februar geschlossen und den Mitgliedern jede fernere Versammlung sowie das Tragen von Turn- oder sonstigen Erkennungszeichen streng untersagt sei. Die Gründe des Beschlusses des Königlichen Landgerichts Weilheim vom 10.Juli 1850 lauten folgendermaßen: "Aus Mitteilungen der 6. Polizeidirektion München über den Turnverein zu München geht hervor, daß derselbe politische Zwecke verfolge und insbesondere die Befreiung und Einigung des deutschen Volkes als Ziel seiner Bestrebungen sich vorgesteckt habe. Aus den zu München vorgefundenen Papieren des Turnvereins in Weilheim und aus hiesigen Vereinspapieren sowie Correspondenzen insbesondere vom Juli, August, September und November v. Jahres geht ebenso klar hervor, daß der Turnverein in Weilheim seine Vereinigung mit dem Münchner Turnverein deutlich ausgesprochen hat. Nachdem nun der Münchner Turnverein laut Beschluß der Kgl. Polizeidirektion München vom 6. des Mts. geschlossen worden und durch.Correspondenzen der beiden obigen Vereine die Affiliation des Weilheimer Turnvereins mit jenem zu München bewiesen ist, so muß auf dem Grund dieser tatsächlichen Verhältnisse die Schließung des Weilheimer Turnvereins verfügt werden." Aus Gründen der historischen Vollständigkeit seien hier die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes vom 26.Februar 1850, die Versammlungen und Vereine betreffend, zitiert:
"Art.19 Ziff.4:
Jede Polizeidienststelle oder Behörde ist befugt, Vereine zu schließen, wenn dieselben
1. den Bestimmngen des Artikels 14 dieses Gesetzes nicht genügen,
2. dem Artikel 16 zuwider nicht angezeigte, sohin geheime Versammlungen abhalten,
3. oder die Abgeordneten der Polizeibehörde dem Artikel 7 zuwider von Verhandlungen ausschließen oder
4. dem Artikel 17 oder dem Artikel 18 entgegenhandeln, oder
5. die religiösen, sittlichen, gesellschaftlichen Grundlagen des Staates zu untergraben drohen und endlich
6. wenn ihre Zwecke oder Beschlüsse den Strafgesetzen zuwiderlaufen.
Artikel 17: Politischen Vereinen ist nicht gestattet, mit anderen in der Art in Verbindung zu treten, daß entweder die einen den Beschlüssen und Organen des anderen unterworfen oder mehrere solche Vereine unter einem gemeinsamen Organ zu einem gegliederten Ganzen vereinigt werden."
Der Weilheimer Turnverein, dem im Jahre 1849 außer dem Vorstand, dem Turnwart, dem Säckelwart, dem Schriftwart und einem Sprecher 22 "wirklich" und 22 Ehrenmitglieder angehörten, war in der Folgezeit gezwungen, nicht nur seine Übungsstunden. sondern auch seine Versammlungen geheim in den weitläufigen Kellerräumen des Gasthofes "Gattinger-Keller" abzuhalten, die auch in späteren Jahren noch lange als Winterturnlokal dienten. Um nicht ganz aus der Öffentlichkeit zu verschwinden und sich als junge Bürger für die Stadt dienstbar zu machen, gründeten die Weilheimer Turner 1852 unter dem Namen "Rettungsgesellschaft" eine Feuerwehr und waren als solche auch bei verschiedenen Gelegenheiten im Einsatz. Vorgreifend mag bereits an dieser Stelle erwähnt sein, daß es nach jahrelanger Konkurrenz mit der Pflichtfeuerwehr (aller männlicher Bürger) den Turnern letzlich im Jahre 1876 unter ihrem Vorsitzenden Oswald Weinhart gelang, die Freiwillige Feuerwehr Weilheim ins Leben zu rufen.

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Als deren Geburtsstunde gilt der 13.Mai 1876, als auf einer Hauptversammlung des Turnvereins sämtliche anwesenden 50 Turner auf Wunsch des Weilheimer Magistrats ihren Beitritt zu einer Freiwilligen Feuerwehr beschlossen. Einen Monat danach wurde Oswald Weinhart zum 1.Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Weilheim gewählt.

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Die Geschichte der Weilheimer Feuerwehr

Hundert Jahre danach würdigte die Weilheimer Presse diese Vorgänge in angemessener Weise, und in der Festschrift zum 100jährigen Gründungsjubiläum der Weilheimer Feuerwehr im Jahre 1976 heißt es: "... bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts herrschte in Bayern bei Brandfällen allgemeine Löschpflicht. Doch ungeübte Menschenkräfte waren den Anforderungen nicht gewachsen. Schon in Jahre 1852 hatte sich in Weilheim aus den Reihen des Turnvereins nach dessen Verbot eine Rettungsgesellschaft gegründet. In den 60er Jahren erging wiederholt von Seiten des Turnvereins (Jakob Steigenberger) die Anregung zur Gründung einer freiwilligen Feuerwehr, doch immer wieder scheiterte dies am Widerstand der bestehenden Pflichtfeuerwehr. Die Turnerwehr beteiligte sich am 5.Januar 1864 beim Löschen eines Brandes im Halderhaus in der Pöltnerstraße."
 
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Festscheibe zum 50jährigen Jubiläum 1897

Zurück in die Zeit um 1860, dem Gründungsjahr unseres ältesten und bekanntesten Patenkind-Vereins, des TSV 1860 München. Etwa ab Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts lockerten sich die Vorbehalte der Obrigkeit gegenüber Turnvereinen und diese traten wieder mehr und mehr aktiv an die Öffentlichkeit; eine Reihe neuer Sportvereine wurde auch in Oberbayern gegründet, wie z.B. unsere Patenkind-Vereine Oberammergau (1861), Garmisch (1868) und MTV München (1879). Unser Verein erreichte im Jahr 1862 seine offizielle Wiederzulassung durch die Stadt Weilheim unter Bürgermeister Baur und beim Kgl. Landgericht Weilheim, nachdem der Vereinsgründer Jakob Steigenberger beim Magistrat vorstellig geworden war und der Vereinsausschuß am 18.Juni 1862 ein entsprechendes Gesuch eingereicht hatte. In diesem wurde natürlich wieder auf den Nutzen der turnerischen Übungen und den besonderen Einsatz der Turner bei Brandunglücken und dergleichen hingewiesen. Dem gleichzeitigen Wunsch des Vereins, ihm den Max-Josef-Platz als Turngelände zuzuweisen, entsprach die Stadt jedoch nicht, da dieser Platz zur Zeit verpachtet sei und der hiesigen Schützengesellschaft für die Abhaltung großer Schießen nicht vorenthalten werden könne. In diesem Zusammenhang soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß viele der Weilheimer Turner auch selbst eifrige Schützen waren, die zu bedeutsamen Anläßen Schützenfeste feierten und Scheiben ausschossen. Als ein Beispiel von vielen sei die vom damaligen Vorsitzenden Max Kleßinger 1897 um 50.Jubiläum unseres Vereins gestiftete große Festscheibe genannt, die einen Schützen und einen Turnbruder in freundschaftlicher Begrüßung zeigt. Auch noch nach dem 1. Weltkrieg war unser Verein dem Weilheimer Schützenverein eng verbunden und viele seiner Mitglieder beteiligten sich im Jahre 1919 unter ihrer Turnerfahne fleißig bei der Anlage von Schanzen für die Schießanlagen.

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Turner beim Bau von Schießanlagen 1919

Quelle : Jubiläumsheft zum 150 jährige Jubiläum des TSV 1847 Weilheim e.V. im Jahr 1997

Quelle : Jubiläumsheft zum 150 jährige Jubiläum des TSV 1847 Weilheim e.V. im Jahr 1997

1847
Von der Gründung bis ins 20. Jahrhundert (3)


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Insulanertanzgruppe beim Turnerball 1883

Mit der Reaktivierung nach den Jahren im Untergrund ging es mit dem Turnverein schnell, stetig und in vielerlei Hinsicht bergauf. Es wurden Turnkurse, Waldfeste, Tanzfeste, Faschingsveranstaltungen (siehe Foto der Insulanergruppe vom urnerball 1883) abgehalten. Protokoll der Turnversammlung Die Zeitung war voll von entsprechenden Ankündigungen und lobenden Berichten.

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Bereits am 16.Oktober 1883 konnte festgestellt werden, "daß es der unermüdlichen Befürwortung des Herrn Bürgermeisters Oswald Weinhart, Ehrenmitglied des Vereins, zu verdanken sei, daß die Erbauung einer Turnhalle genehmigt und schon heute der Plan einer Turnhalle vorgelegt worden sei, was allgemeine Freude hervorrief, zumal Herr Bürgermeister bekundete, daß hochlöblicher Stadtmagistrat sämtliche Kosten zu tragen übernimmt." So entstand Weilheims erste Turnhalle am Max-Joseph-Platz, die bei Sportlern und Zuschauern helle Begeisterung hervorrief und bis nach dem 1.Weltkrieg allein unserem Verein diente.

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Der Verein, der bereits 1863 gebührend des deutschen Einigungsfestes auf dem Schlachtfeld bei Leipzig 50 Jahre davor gedacht hatte, beuchte im Laufe der nächsten Jahre viele Turnfeste befreundeter Vereine, so zum Beispiel 1881 in Traunstein. Er beschickte im Juni desselben Jahres das 5. Deutsche Turnfest in Frankfurt und durfte im August 1884 selbst das Oberbayerische Bezirksfest in seinen Mauern durchführen. Das Weilheimer Tagblatt kündigte das Oberbayerische Bezirksturnen in entsprechender Aufmachung an und lobte anschließend die Veranstaltung in überschwenglichen Worten. 26 Vereine mit 23 Fahnen und weit über 400 Turner nahmen teil, der Festzug bewegte sich durch die Obere Stadt und die Münchner Straße zum fahnengeschmückten Turnplatz an der Ammer mit der neu erbauten Turnhalle. Der oberbayerische Bezirksturnverband hatte in seiner Ausschußsitzung vom 26.September 1883 die Vergabe des Bezirksturnfestes nach Weilheim davon abhängig gemacht, daß dort eine für solche Feste entsprechende Turnhalle gebaut werde.

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Die Mitgliederzahl wuchs ständig und die neuen Mitglieder konnten sich geschmackvoller "Aufnahmskarten" erfreuen.

Quelle : Jubiläumsheft zum 150 jährige Jubiläum des TSV 1847 Weilheim e.V. im Jahr 1997
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Nach der Stillegung der Ammerturnhalle war der Turnverein, wie im folgenden Abschnitt noch auszuführen sein wird, für seine Aktivitäten auf die Turnhalle des städtischen Realschul-Pensionats (später Gymnasium) an der Murnauer Straße angewiesen, die im Jahre 1896 geplant und anschließend gebaut wurde. Das Pensionat hatte in Zeitungsannoncen um Schüler für die sechskursige Realschule unter anderem mit dem Hinweis auf seine neue Halle mit neuesten Geräten, großen Gartenanlagen, Spielplatz und anderem geworben. Diese Schulturnhalle wurde erst im Jahre 1957 abgerissen.

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Von der Gründung bis ins 20. Jahrhundert (4)


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Noch bis gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts stand unser Verein, wie andere auch, immer noch unter staatlicher Beaufsichtigung. Von Zeit zu Zeit mußten auf Anordnung des königlichen Bezirksamtes Verzeichnisse der politischen und nichtpolitischen Vereine vorgelegt werden mit der Benennung des Vereinszweckes, des Namens und Charakters des jeweiligen Vorstandes, des Ortes und der Zeit der Versammlungen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde kam es damals in unregelmäßigen Abständen zu mehreren Neufassungen unserer Statuten und Satzungen. Interssant sind die im folgenden abgebildeten Statuten von 1878 nebst Turnordnung aus dem Jahre 1868 sowie für Historiker der Hinweis, daß in Weilheim um die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts vorübergehend sogar zwei Turnvereine bestanden haben, nämlich der TV und der M.T.V. (Männerturnverein). Auf einer Generalversammlung vom 6.Mai 1976 schloß man sich zum Turnverein zusammen. Aufnahmskarten und Eintrittsdaten der Mitglieder des bisherigen M.T.V. behielten Gültigkeit. Am 1.Januar 1892 fand eine Zählung der deutschen Turnerschaft statt. Die Zahl aller im Bereich von Deutschland und Deutsch-Österreich bestehenden Turnvereine war auf 5081 gestiegen. Davon gehörten 4519 zur deutschen Turnerschaft; sie verteilten sich auf 3841 Vereinsorte. Die Zahl der Vereinsangehörigen über 14 Jahre betrug in Deutschland 447 046 Turner. Unter der Leitung des Vorstandes Max Kleßinger, der nach Jakob Steigenberger (1862-1868), Oswald Weinhart (1868-1873), Johann Miller (1873), Benedikt Ferchl (1873-1876) und abermals Oswald Weinhart (1876-1880) im Jahre 1880 die Leitung des Vereins übernommen hatte, zählte dieser 26 ordentliche, 72 außerordentliche, fünf Ehrenmitglieder und zwölf Mitturner im Alter von 16 - 18 Jahren. Die jüngeren Vereinsmitglieder im Alter von 13 - 15 Jahren, Ende des vergangenen Jahrhunderts noch alle männlichen Geschlechts, wurden Zöglinge genannt. Ein turnerisches Jahr war mit vielen verschiedenen Veranstaltungen ausgefüllt, zum Beispiel mit dem Anturnen im Frühjahr, mit regelmäßigen Turnunterricht, mit den beliebten und herrliche inszenierten Waldfesten am Gögerl, am Hechenberg oder am Brunnenhäuschen, dem Abturnen im Herbst, den Winterturnenkränzchen, regelmäßigen Vereinstanzkursen und Faschingsunterhaltungen. Hinzu kamen regelmäßige Ausflüge zu Nachbarvereinen, insbesondere nach München und Empfang auswärtiger Turnvereine (die stets mit Wetturnen verbunden waren), die obligate Teilnahme an Gau-, Bezirks- und Landesturnfesten und - als Höhepunkt - an den deutschen Turnfesten, etwa am deutschen Turnfest im Juli 1889 in München, an dem 24 Turner aus Weilheim und insgesamt rund 100 Turner aus dem Turngau Weilheim teilnahmen.

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Auch auf den Brettern, die die Welt bedeuten, fühlten sich die Mitglieder unseres Vereins damals sehr wohl. Gelungene Theateraufführungen waren die Posse "Der Gmoadepp", im Jahre 1894 das "Stiftungsfest" (das gute Einnahmen für die Anschaffung von Turngeräten erbrachte), sowie imJahre 1895 der "Paternosterkramer von Ettal", von der Öffentlichkeit als eines der hübschesten Stücke bezeichnet, die bisher in Weilheim aufgeführt wurden. Zum Jahreswechsel 1903/1904 führte der Turnverein das melodramatische Weihnachtsspiel "Unser täglich Brod gieb uns heute" auf. Der geräumige Hipperkeller-Saal war überfüllt, viele Interessenten mußten abgewiesen werden. Wie zu allen Zeiten waren im Leben unseres Vereins auch damals schon die runden Gründungsfeste (Stiftungsfeste) sportliche und gesellschaftliche Höhepunkte für die ganze Stadt. Zum 30. Stiftungsfest im Jahre 1877 bekam der Turnverein von den Frauen und Jungfrauen der Stadt Weilheim eine wunderschöne, große, reichbestickte Vereinsfahne gewidmet, die zu unserer Freude bis auf den heutigen Tag in unserem Vereinsarchiv erhalten geblieben ist.

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Beim 50. Stiftungsfest im September 1897 ließ sich die Weilheimer Bevölkerung durch die schlechte Witterung nicht davon abhalten, für den Festzug die Straßen der stadt zu beflaggen und mit hübschen Dekorationen zu schmücken. Nach den sportlichen Veranstaltungen wurde am Abend ein gelungener Festcommers, diesmal im prächtig geschmückten Bräuwastl-Keller, abgehalten, den allerdings der im Vorjahr verstorbene Jakob Steigenberger nicht mehr miterlebte. Wieder enmal sorgte der Weilheimer Liederkranz-Orchesterverein für die festliche Umrahmung und sein Dirigent, Herr Kormann, hatte sogar einen Festmarsch komponiert. Vom Vertreter des Turnvereins München bekam unser Verein ein prachtvolles Fahnenband, vom Vertreter des Männerturnvereins München einen prächtigen Humpen und vom Turnverein Mittenwald einen von dessen Mitgliedern gepflückten großen Edelweißkranz als Geburtstagsgeschenk überreicht. Anläßlich dieses Jubiläums, das mit dem XX.Gauturnfest verbunden war, wurden folgende verdiente Mitglieder zu Ehrenmitgliedern ernannt: Ulrich Frank, kgl. Reallehrer; Max Kormann, Chorregent; Jakob Weinhart, Wagenfabrikant; Jakob Henrich, Privatier; J.Metz, Bezirksfeldwebel und Alois Krettner, Hauptkassa-Funktionär in München. 1. Vorstand war damals wiederum der hochverdiente Max Kleßinger, der nach Jakob Weinhart (1887 - 1888) noch einmal über 10 erfolgreiche Jahre (1888 - 1899) die Vereinsgeschäfte übernommen hatte. Zwar fielen die ins Nachmittagsprogramm übernommenen Volksbelustigungen auf dem Turnplatz der schlechten Witterung zum Opfer; dafür wurde der anschließende Festabend im überfüllten Bräuwastl-Keller mit Konzert und Vorführungen ein umso größerer Erfolg. Unter anderem boten 16 als griechische Jünglinge verkleidete Turner in sechs Bildern charakteristische Stellungen aus der altgriechischen Olympiade dar, unter anderem Diskuswerfen und Faustkampf. Ein weiterer Tag des 50jährigen Jubiläums war einem Preischießen der Feuerschützen-Gesellschaft zu Ehren unseres Vereines gewidmet. Zur Erinnerung an ein halbes Jahrhundert Turnverein in Weilheim ließ sich die gesamte aktive Turnerschaft nebst Funktionären in einem Foto festhalten, das als Hintergrund die Turnhalle an der Ammer zeigt.

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Das 60jährige Vereinsjubiläum (ein 70. gab es wegen des Krieges nicht) wurde ebenfalls an drei Tagen durchgeführt, und zwar von Samstag, den 10.August, bis Montag, 12.August 1907. Auch diesmal gab es wieder einen von Musik begleiteten Festzug der Turner druch die geschmückte Stadt und zahlreiche sportliche Wettkämpfe (siehe Einladung und Festprogramm).

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Hervorzuheben ist, daß beim Festabend als einer von vielen Gratulanten der Vertreter des Männerturnvereins München, des Patenkindes des Weilheimer Turnvereins, Herr Dürr, auf einmalige sportiche Leistungen des Weilheimer Turnwartes, späteren Vereinsvorsitzenden und Gauvorstand Hans Bayerl auf den 13.Bayerischen Bundesturnfest in Ingoldstadt hinwies. Dankend führte der Redner, der dem Jubilar einen schönen Pokal überreichte, weiter aus: "Mit freudigem Herzen sind wir Ihrem Rufe gefolgt, war doch der Turnverein Weilheim einer derjenigen Vereine, die uns bei der Gründung des Männer-Turnvereins im Jahre 1879 auf dem damaligen bayerischen Turntag in Straubing zu unserem Rechte verholfen haben. Dafür werden wir ihm stets dankbar sein; nie haben wir diesen Freundschaftsdienst vergessen."

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Natürlich war auch die Dekade zwischen den Stiftungsfesten von 1897 und 1907 von sehr wichtigen Ereignissen der Vereinsgeschichte geprägt. Erwähnt seien hier nur die Mitwirkung unseres Vereins an dem in der Stadt und im ganzen Land Bayern festlich begangenen 80.Geburtstag des Prinzregenten Luitpold im Jahre 1901; das bestens gelungene und organisierte 25jährige Gauturnfest des Turngaues in Weilheim mit sechs erfolgreichen Weilheimer Teilnehmern am 15. und 16.August 1903 (siehe unten); die erstmalige Aufnahme weiblicher Mitglieder als Turnerinnen um die Jahrhundertwende unter Frauenturnwart Hans Bayerl, die Bildung einer speziellen Jungmannschaft sowie einer Altersriege etwa ab den Jahren 1903/1904. Sonderseite_Geburtstag Geführt wurde unser Verein um die Jahrhundertwende nacheinander von den Vorständen Franz Fischer (1899 - 1902), Bezirksfeldwebel Georg Schmidt (1902 - 1905), Thomas Geisenhofer (1905 - 1913) sowie, wie bereits erwähnt von 1913 bis 1920 von Hans Bayerl.

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Letzte wichtige Ereignisse vor dem 1.Weltkrieg für unseren Turnverein waren die Teilnahme seiner Sportler beim XI. Deutschen Turnfest in Frankfurt a.Main (Juli 1908), die noch zu behandelnde vorübergehende Konkurrenz zweier Fußballmannschaften in Weilheim im Jahre 1913, das auf Beschluß der deutschen Turnerschaft in allen Gauvereinen, besonders prachtvoll auch in Weilheim gefeierte Gedenken an die hundetjährige Wiederkehr der ruhmreichen Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1913, die Anpassung der Vereinsstatuten an das Bürgerliche Gesetzbuch und die neuen Vereinsgesetze auf der Hauptversammlung vom 12.12.1913 sowie die Übernahme des aufgelösten Weilheimer Athletenclubs als Kraftsportriege in den Verein im Frühjahr 1914.
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Vereinsgründung 1847


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Vereinsgründung 1847

Im "Gasthof zur blauen Traube" wurde 1847 der TV Weilheim gegründet.

Bald nach der Gründung beschaffte Jakob Steigenberger auf eigene Kosten einen Barren und andere turnerische Gerätschaften und konnte zu seiner Freude feststellen, dass sich eine große Anzahl von Knaben und jungen Männern für seine turnerischen Übungen interessierten. Dies teilte er in seinem Schreiben vom 4.August 1848 dem verehrlichen Magistrat der Stadt Weilheim mit, wobei er um die Zuweisung des städtischen Exerzierplatzes als Übungsplatz für die Turner bat. Im Antwortschreiben vom 25.August 1848, unterzeichnet von Bürgermeister Boxberger, zeigte sich der Weilheimer Magistrat zwar von der Turnerei Weilheim angetan, zumal ein Gutachten des Arztes Dr.Schmidt vom 4.August 1848 die gesundheitlichen Vorzüge des Turnens bestätigte. Dessen Gutachten lautet auszugsweise: „Das Turnen trägt in hohen Maße zur Entfaltung der körperlichen Kräfte, zur Ertragsfähigkeit von Strapazen bei, dient zugleich zur Erlernung eines zweckmäßigen Gebrauchs der vorhanden Kräfte und befördert so Muth, Selbstvertrauen und Besonnenheit in Gefahren. So dürfte ein derartiges Unternehmen namentlich in unseren Tagen Beachtung verdienen, in welchen auf möglichst vollständige Wehrbarmachung der gesamten männlichen Bevölkerung gedrungen wird, und das Turnen eine sehr gute Vorschule für den richtigen und erfolgreichen Gebrauch der Waffen bildet.“ Allerdings verlangte die Stadt Weilheim vom Turnverein, dass dessen im Entwurf übergebene Satzung „genau beachtet und keine Veranlassung zu polizeilicher Einschreitung gegeben werde.“ Autor: Klaus Glienke und Boris Forstner Quelle: Broschüre zum 150 jährigen Jubiläum des TSV 1847 Weilheim.

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